Ferienzeit - Wutzeit

Eines muss man der Flugverkehrslobby ja lassen: sie betreiben ein wirklich gutes Agenda-Setting. So sind die Zeitungen seit einigen Tagen gefüllt mit Berichten über die Problematik der Flugverspätungen, die gerade in der Ferienzeit von besonders vielen Menschen wahrgenommen werden. Man verreist ja sonst eher weniger.

Zweifellos sind verspätete Flüge für diejenigen ein Ärgernis, die ihre geplante Reise auch geplant durchführen möchten. Ursachenforschung ist also angebracht. Hier aber ist spannend, dass die Ursachen vor allem im organisatorischen Bereich gesehen werden. Ein Beispiel? Der Kölner Stadtanzeiger berichtet in seiner heutigen Ausgabe auf drei (!) Seiten über die Flugverspätungen. Analysiert werden auch die Gründe, die laut der Zeitung vor allem in diesen Bereichen zu finden sind: Streiks, Pleite von Air Berlin, extreme Wetterlagen, fehlende europäische Absprachen über Luftraumverwaltung, Sicherheitskontrollen, Einschränkungen beim Flugbetrieb. Nicht erwähnt werden: Subventionen des Flugverkehrs durch die Steuerzahler, miserable Arbeitsbedingungen bei Airlines um Kosten zu deckeln, Manipulationen von Flughäfen zur unwirtschaftlichen Ausweitung des Flugverkehrs.

Besonders heikel ist der Angriff des NRW-Verkehrsministers Hendrik Wüst auf die Airlines, die er dafür verantwortlich macht. Warum heikel? Wüst verzichtet in seinen Ausführungen darauf zu erwähnen, dass er als verantwortlicher Politiker maßgeblich den Ausbau des Flugverkehrs fördert, sich einer Regulierung und damit Zukunftsfähigkeit des Flugverkehrs (Stichwort: Klimawandel und extreme Wetterlagen, s.o.) entgegenstellt und eine rein gegenwartsbezogene Verkehrspolitik auf Kosten zukünftiger (und durch die Lärmschäden auch gegenwärtiger) Generationen betreibt.

Zurück zum Agenda-Setting: Der von der Flugverkehrs-Lobby vorgetragene Punkt, dass die Einschränkungen bei Flugbetrieb - gemeint sind Regelungen zu Flugbewegungen in Ruhezeiten - Verspätungen begünstige, ist nur einer von den mehreren genannten. Ein Schuh wird daraus durch eine kleine Nebenmeldung:
"Der Brachenverband BDL fordert den Ausbau der Flughafen-Infrastruktur und dass die bisher genehmigte Flexibilität bei den Betriebszeiten für die Abwicklung verspäteter Flüge in Zukunft erhalten bleibt." (KStA, 10.8.18)

Mit anderen Worten: Obwohl der Flugverkehr aus ökonomischen und ökologischen Gründen an seine Grenzen kommt, fordert der Verband die Beibehaltung zumindest des Status-Quo, um keine Reform durchführen zu müssen. Insofern gleichzeitig bis zum Jahr 2040 "eine Zunahme des Luftverkehrs in Europa um 53 Prozent" erwartet wird (ebd.), wird zwischen den Zeilen auch eine Ausweitung der Flugzeiten gefordert. Da hilft es, die aktuelle Wut der Urlauber über Verspätungen zu nutzen, um durch derartige Maßnahmen Verbesserung in Aussicht zu stellen. Die den Urlaubern aber nichts bringen werden.

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